Audio-Tracks von Manuel Gogos, Feature- und Filmemacher, führen Sie durchs Museum. In Reise um den Tag in 80 Welten macht er sich Gedanken über das Neo-Biedermeier unserer Jahre. Und in einer Zimmerflucht schickt er Sie, das Publikum, in die Indische Landschaft, die Annette von Droste-Hülshoff mit Scheren in Papier schnitt. Dieses Kunstwerk befindet sich allerdings gerade in der Wanderausstellung Sehnsucht in die Ferne. Also tun wir was, um sie zu sehen? Den Tonspuren lauschen. Und unsere Fantasie spielen lassen.

 

Biedermeier-Phantasma - was ist denn das?!

 

Ein Gespenst geht um in Deutschland, das Neo-Biedermeier. Im 19. Jahrhundert war das Biedermeier eine Reaktion auf das Ende der Napoleonischen Ära. Was machte diese Epoche aus? Der Rückzug ins Heim, ein intensiviertes Familienleben, Kammermusik, Sticken, Nähen.

 

Auch heute führen Globalisierung, Kriege und Flüchtlings- migrationen zu einer zunehmenden Erschütterung der prästabilen politischen Landschaft. Das Krisengefühl ist permanent. Was folgt? Die Furcht vor der Geschwindigkeit des Lebens (wir werden überrannt), vor der Ohnmacht gegenüber globalen Dynamiken (wir werden überlaufen) und vor dem Verlust unserer Privatsphäre aufgrund der Digitalisierung der Welt (wir werden überwacht).

All das führt wieder zu einer Flucht in das Bewährte – ins private Zuhause. Die Eichenschrankwand ist wieder in, ebenso wie Handarbeit. Die Welt steht in Flammen, und die Menschen spinnen sich ein in ihren Kokon. Die Serie Das Biedermeier-Phantasma klopft mit dem Stimm- hämmerchen an diese heile Welt. Samt aller geblümten Tapeten und dekorativen Biedermeiermöbel, aller Ritter- rüstungen und überdimensionierten Wappen öffnet sich Burg Hülshoff einer Befragung der eigenen Geschichte, der eigenen Prämissen und der eigenen Phantasmen. Und Phantasma heißt zwar im Denken Europas »inneres Vorstellungsbild«. Woanders aber (etwa in México) ist das Phantasma ganz einfach – ja! –: Gespenst.

 

Text: Manuel Gogos
Sprecherin: Anna Polke
Musik: Markus Hinz & Volker Zander
Regie: Jörg Albrecht
Audioproduktion: Philipp Blömeke

Die Musik entstammt der Vinyl-Veröffentlichung Daniel Laufer: Train of Thought – Künstlerschallplatte zur gleichnamigen Ausstellung, apparent extent in Zusammenarbeit mit dem Kunstverein Harburger Bahnhof, 2014.
Mit freundlicher Genehmigung von: Kunstverein Harburger Bahnhof und Volker Zander/apparent extent.

 

Produktion: Burg Hülshoff - Center for Literature 2019.