Die Zukunft des Erinnerns / The Future of Remembering

Es wird nicht leichter, über den Nationalsozialismus zu sprechen, je länger er vorbei ist. Und gerade jetzt, wo ein Teil der Gesellschaft sich wieder zu antidemo- kratischen Prinzipien hingezogen fühlt, ist die Kunst gefragt. Auch die Kunst des Erinnerns.

 

Doch wie erinnern wir das scheinbar fern liegende Grauen des 20. Jahrhunderts: den Faschismus in ganz Europa, die Shoa, Zerstörung und Flucht – und an wel- chen Orten? Welche künstlerischen Mittel sind legitim und welche nicht?

 

Beim Sprechen und Schreiben über die unvorstellbaren Geschehnisse der Nazi-Diktatur und der Lager ist sie immer wieder Thema: die Grenze zwischen Fiktion und Wirklichkeit. Sie beschäftigt nicht nur die Schriftstel- ler*innen, die sich auf angemessene Weise den Erfah- rungen Einzelner nähern wollen. Sie beschäftigt auch die Geschichtswissenschaft.

 

Für sechs Tage öffnet das CfL das Rüschhaus. An diesem Ort, an dem die Droste schrieb, sie wolle erst in 100 Jahren gelesen werden (nicht in ihrer eigenen, beengten Gegenwart), wollen wir über die Zukunft des Erinnerns nachdenken und diskutieren. Für sechs Tage laufen daher Audio- und Videoinstallationen, geben Zeit und Raum, um sich mit ihnen auseinanderzusetzen.

 

Zum einen ist das Die Quellen sprechen, ein umfangreiches Archiv an Quellen aus der Zeit des Nationalsozialismus, die durch den Bayerischen Rundfunk vertont wurden; Zeitungsberichte, Hilferufe, Verordnungen, Befehle, Tagebuchaufzeichnungen und Privatbriefe. Sie sind in der obersten Etage des Rüschhaus zu hören, zusätzlich: Interviews von Überlebenden der Shoa und Beiträge von Historiker*innen zur Frage, wie ein solches Projekt umgesetzt werden kann.

 

Im Raum nebenan läuft Föhrenwald, ein Hörstück mit Bildspur der Künstlerin Michaela Mélian. Anhand eines konkreten Ortes, der zuerst Zwangsarbeiterlager, später Auffanglager für Displaced Persons war, inszeniert Mélian mit Feingefühl Erwachsenen- und Kinderstimmen, lässt sie Berichte von Zeug*innen und Aktentexte nachspre- chen, spürt den Widersprüchen dieses Ortes nach. Am 13. März lädt das Center for Literature Michaela Mélian und zwei weitere Expert*innen ein, um über die Frage der Zukunft des Erinnerns zu sprechen. Die beiden anderen sind: Katarina Agathos, Chefdrama- turgin des Bayerischen Rundfunk Hörspiel/Dokumen- tation/Medienkunst – die derzeit einen weiteren Teil des Projekts Die Quellen sprechen zur Veröffentlichung vorbereitet; sowie Prof. Dr. Malte Thießen, Leiter des LWL-Instituts für westfälische Regionalgeschichte; er wird über das umfassende Projekt NSTopographie

 

berichten, das über GPS Informationen zu einer Viel- zahl von Gedenkstätten und weiterer Erinnerungsorte zusammenführen und online abrufbar machen wird. Als Grundlage der Diskussion läuft anfangs Föhrenwald, anschließend sprechen Agathos, Mélian und Thießen mit den Lesebürger*innen! des CfL und mit Ihnen, dem Publikum.

 

Kamera & Schnitt: Philipp Wachowitz