Dear Reader

 

Bei Dear Reader unterhält sich Mascha Jacobs einmal im Monat mit Autor*innen über die Bücher ihres Lebens. Über die Wege, auf denen sie zu ihnen finden, wie das Gelesene sie verändert und wie oder ob für sie Lesen und Schreiben zusammengehören.

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  • #12 Ulrich Gutmair über Uneindeutigkeit

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    Ulrich Gutmair ist dieses Mal bei DEAR READER zu Gast. Er schreibt seit 30 Jahren für Tageszeitungen und Magazine über Pop und Geschichte und ist Redakteur bei der taz. Schon mit seinem Sachbuch-Debüt Die ersten Tage von Berlin. Der Sound der Wende ist ihm eine Kultur- und Musikgeschichte gelungen, die weder nostalgisch noch abgeschlossen klang. Auch in seinem Buch „Wir sind die Türken von morgen.“ Neue Welle, Neues Deutschland, wieder im Tropen-Verlag veröffentlicht, lässt Gutmair sein Material, er hat sich jahrelang durch Fanzines, Lyrics und Diskurse der frühen 80er-Jahre gegraben und selbst viele Interviews gemacht, oft für sich sprechen. Klar wird, viele Themen, die uns heute beschäftigen, trieben auch schon vor 40 Jahren vor allem die Jugendlichen um. Dass unter ihnen viele Menschen mit Migrationsgeschichte waren, ist vielleicht auch deshalb kaum in die Popgeschichte eingegangen, weil die Jugendlichen es vorzogen, sich selbst neu zu erfinden, ihnen zugeschriebene Identitäten zurückwiesen oder mit ihnen spielten. „Das Modell dafür war Punk, und was dabei herauskam, war die Neue Welle, die bald zur Neuen Deutschen Welle wurde“, schreibt Gutmair.

     

    In den Songtexten, die in seinem Buch ausführlich zitiert werden, wurden keine Geschichten mehr erzählt, sie waren eher einer Schlagzeilenrhetorik verpflichtet, wirkten künstlich, lakonisch, roh und provokant; sie zeichneten sich durch ihren radikalen Gegenwartsbezug und Humor aus. Vor allem aber spielten sie mit Ambivalenzen und Uneindeutigkeiten.

     

    Mascha Jacobs und Ulrich Gutmair sprechen über diesen Zugang zur Welt, über unauflösbare Widersprüche, Attitüden der Härte, strategische Affirmation und produktive Formen der Negation. Über DAF, die Querness des Punks, Fanzines, Collagen und feministische Punkbands. Darüber, wie sich die durch Punk inspirierte kurze Neue Welle gegen die „Verdrängung und Verkitschung der gewalttätigen Geschichte Deutschlands“ wandte und sich satirisch auf die xenophoben Ängste bezog.

     

    Mitgebracht hat Ulrich Gutmair einen Text von Klaus Abelmann Alles, was Sie schon immer über Punk wissen wollten (But were Afraid to Ask), der 1980 in dem Fanzine Neon erschien und in Wir waren Helden für einen Tag. Aus deutschsprachigen Punk-Fanzines 1977-1981 abgedruckt wurde, das 1983 bei Rowohlt von Hollow Skai und Paul Ott herausgegeben wurde. Der zweite mitgebrachte Text ist Der destruktive Charakter von Walter Benjamin, den man in dessen bei Suhrkamp erschienen Gesammelten Schriften, Band IV, herausgegeben von Rolf Tiedemann und Hermann Schweppenhäuser, S. 396-398 oder bei textlog.de findet.

     

    Wer Lust bekommt auf die Musik und Texte der Neuen Welle, dem sei die Playlist zum Buch auf Spotify empfohlen.

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    © Stephanie Neumann
  • #11 Paul-Philipp Hanske über Ekstasen und Literatur

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    In dieser Ausgabe ist Paul-Philipp Hanske zu Gast bei Mascha Jacobs. Der Autor und Journalist hat gerade gemeinsam mit Benedikt Sarreiter bei Matthes und Seitz das Sachbuch Ekstasen der Gegenwart. Über Entgrenzung, Subkulturen und Bewusstseinsindustrie veröffentlicht. Ein Buch das in gewisser Weise auf ihrem ebenfalls zusammen verfassten Buch Neues von der anderen Seite. Die Wiederentdeckung des Psychedelischen (2015 bei Suhrkamp erschienen) aufbaut. Es sind interessante Bücher, weil sie von Erfahrungen sprechen, die sich der Sprache eigentlich entziehen. 

     

    „Die ekstatische Erfahrung kann also nur schief in Sprache übersetzt werden. Man muss sich der Sache also näherungsweise widmen, und dabei helfen Literatur, Philosophie, Anthropologie und Neurologie“, schreiben die beiden Autoren in Ekstasen der Gegenwart.

     

    Ihnen ist ein empfehlenswertes Buch gelungen, das einerseits eine Kulturgeschichte der Ekstasen ist und mit einem kritischen Blick auf aktuelle Phänomene blickt. Ekstatische Momente können in vielen Situationen entstehen. Im Schamanismus, beim Toben, im Tanz, beim Sex, in der Meditation, aber auch beim Sturm aufs Kapitol oder in Ayahuasca-Retreats. Und sie sind neuerdings ein lukratives Geschäft.

     

    Mitgebracht hat Paul-Philipp Hanske Caliban und die Hexe. Frauen, der Körper und die ursprüngliche Akkumulation von Silvia Federici – 2012 auf Deutsch bei Mandelbaum Kritik & Utopie erschienen. Und Annäherungen. Drogen und Rausch von Ernst Jünger, 1970 bei dtv/Klett-Cotta veröffentlicht. Wir sprechen über identifikatorisches Lesen und das Gegenteil davon, leise und laute Ekstasen, Hingabe, indigenes Wissen, psychotrope Drogen, Rhythmen, Zeit und Frau Holle.

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    © Anna Boldt
  • #10 Eva Tepest über Sprache und Begehren

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    Dieses Mal ist Eva Tepest zu Gast bei Mascha Jacobs. Dey wurde im Rheinland geboren und ist Autor*in und Journalist*in. Mit Lynn Takeo Musiol organisiert dey die Reihe DYKE Dogs in der Schaubühne in Berlin. Eva Tepest war Finalist*in des Open Mikes und des Edit Essaypreises. Gerade ist im März Verlag Power Bottom. Essays über Sprache, Sex und Community erschienen. Eine Sammlung kluger Texte über Begehren, Sprache, Gewalt und Machtbeziehungen. In diesen Texten geht Eva Tepest den „Widersprüchen zwischen sexuellen Fantasien, gelebter Sexualität und politischen Einstellungen“ nach. Eva Tepest fächert die Beziehungen zwischen Ästhetik und Politik, Sexualität und Sprache auf und umkreist diese Spannungsfelder aus einer queer-lesbischen Perspektive. Die formal sehr unterschiedlichen autofiktionalen Texte in Power Bottom sind spielerisch und humorvoll, voller Gegenbewegungen und Unterströmungen.

     

    Für das Gespräch mit Mascha Jacobs hat Eva Tepest den Essayband von Eileen Myles The Importance of Beeing Iceland. Travel Essays in Art mitgebracht. Der Sammelband ist 2009 bei Semiotext(e) in der Reihe Native Agents Series erschienen. Das zweite von Eva Tepest vorgeschlagene Buch hat Mascha Jacobs in der Übersetzung von Marie Luise Knott gelesen. Er ist von Anne Carson, heißt Albertine. 59 Liebesübungen + Appendizes und wurde 2017 von Matthes und Seitz veröffentlicht. Beide Texte haben viel mit Evas eigener Schreibweise zu tun: Sie sind wild, lustig und überraschend und halten sich nicht an konventionelle Genregrenzen.

     

    Eva Tepest und Mascha Jacobs sprechen über Sexualität, emanzipatorische Potenziale, Metaphern, Doppelbewegungen, Essays, formale Entscheidungen, Gesten, Überraschungen, Verführungstechniken, Widersprüche, Scham und Begehren. Die gemeinsamen Lektüren führen zu einem Gespräch über Queeres Schreiben, Sichtbarkeiten, binäre Einteilungen, brüchige Identitäten, Spiellust, Humor, intergenerationale Zusammenhänge und Proust-Entzüge.

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    © Eden Jetschmann
  • #9 Thomas Meinecke als Mystikerin

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    Was hat das Platten auflegen mit dem Bücher schreiben zu tun? Welche Bündnisse lassen sich zwischen Frauen, afroamerikanischen und queeren, also marginalisierten Leseweisen entdecken? Was haben Minimal Techno und Genderstudies miteinander am Hut?

     

    Mascha Jacobs und Thomas Meinecke sprechen bei DEAR READER über diese Fragen. Aber auch über ihre gemeinsame Liebe zur Popmusik, zum Auflegen und über sein aktuelles Buch Ozeanisch Schreiben. Drei Ensembles zu einer Poetik des Nicht-Binären letztes Jahr im Verbrecher Verlag erschienen.

     

    Der 1955 in Hamburg geborene Musiker und DJ wurde Ende der 1990er-Jahre auch als Schriftsteller bekannt. Neben seiner Band FSK, die er seit 40 Jahren mit seiner Ehefrau Michaela Melián und anderen Freunden hat, wurde er mit seinem Buch Tomboy berühmt. In dem 2000 bei Suhrkamp erschienenen Buch hat er seine frühe Judith Butler Lektüre verschriftlicht. Kein Wunder, dass einer seiner Lieblingstexte Gender Trouble von der Philosophin Judith Butler ist. Es ist 1991 auf deutsch unter dem Titel Das Unbehagen der Geschlechter bei Suhrkamp erschienen. Und Mascha Jacobs hat ein paar Jahre später ihre Magisterarbeit über das gleiche Buch geschrieben. Das zweite von Thomas Meinecke mitgebrachte Buch ist Ein Forschungsbericht von Hubert Fichte (Fischer 1989), ein Band von Fichtes Geschichte der Empfindlichkeit. Die Interessen und Themen seiner Texte sind sehr breit gestreut: von der Mystik, zu Mae West, über Camp zu Anaïs Nin zu Drag Queens und Lookalikes. Genug Gesprächsstoff also für die beiden Ex-Kolleg*innen beim Zündfunk des Bayerischen Rundfunks.

     

    Sie sprechen über experimentelles Schreiben, öffentliches Sprechen, Wiederholungen, den magischen Charakter der Sprache, Bündnisse, nicht-männliches Schreiben, fanatisches Lesen, unsere Popsozialisationen, Hingabe, die Lust und Qualen des Nichtverstehens, Theorie-Training mit Jean-Luc Nancy und seine Schule der Zärtlichkeit, Mediävistik. Über nicht geschlossene, nicht-männliche postmoderne Autorensubjekte und Schreibweisen in der Vormoderne, Dominoeffekt und Kettenreaktionen, campe und marginalisierte Leseweisen. Das Lesen zwischen den Zeilen, Pastiche, Parodie, Mitschriften, Palimpseste, Pop, Begehren, Vogueing, Realness, Fag Stags, Nicht-Authentisches, unakademische, hochelaborierte Szenarien und Exotismus. Es geht in einem wilden Ritt um Überschreibungen, ethnopoetologische Mitschriften, das Abtasten der Wirklichkeit und des Nicht-Authentischen und Drag Queens „als ambulante Archive von Fraulichkeit“.

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    © Tobias Bohm
  • #8 Insa Wilke über Texte „die unter die Haut und ins Hirn gehen.“

     

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    Insa Wilke ist dieses Mal bei DEAR READER zu Gast. Die Kritikerin, Autorin, Moderatorin, Nachlassverwalterin und Juryvorsitzende zwei wichtiger Preise, dem Bachmannpreis und dem Preis der Leipziger Buchmesse, ist eine große Leserin. Und deswegen eine ideale Gesprächspratnerin für Mascha Jacobs. Seit 2017 ist sie Teil des „lesenswert quartett“ im SWR Fernsehen. Zudem hat sie seit 2016 die Programmleitung des Mannheimer Literaturfestes „lesen.hören“ von Roger Willemsen übernommen, dessen Nachlass sie zudem verwaltet.

     

    Das Gespräch dreht sich, neben den drei aktuellen Lieblingstexten von Insa Wilke, um ihren beruflichen Lebens- und Leseweg. Wir sprechen über Texte als Begegnungen, Resonanz von Texten, Kostümierungen, komische Figuren, Vokalstrukturen, Plastik-Vaginas, Schäferhundsprache, antisemitisches Klischees, Farce, Leserinnen, Räume und Wiederholungen, Erinnerungspolitiken, Geschichten. Und wie man sich schick gemacht übt und in Gefahr begibt. Das haben sie auch für uns versucht, während wir ihnen beim Denken, Suchen und Fragestellen zuhören.
    Mitgebracht hat Insa Wilke den von ihr eingeladenen Bachmanntext von Mara Genschel, Das Fenster zum Hof. Aus dem Amerikanischen von Jürgen Bauer und Edith Nerke. Den Roman Eine Runde Sache von Tomer Gardi, bei Droschl erschienen. Und über Emine Sevgi Özdamar Ein von Schatten begrenzter Raum auch 2022 bei Suhrkamp erschienen.

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    © Mathias Bothor
  • #7 Yael Inokai über queere Literatur und ihre Lieblingsbücher

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    Die 1989 in Basel geborene Schriftstellerin Yael Inokai, ist eine außergewöhnlich gute Schriftstellerin. Mit einem Talent für Sprache, das trotz all der Neuerscheinungen und ungelesenen und den unzähligen existierenden alten Büchern immer noch ein Ereignis ist. Ihr dritter Roman Ein simpler Eingriff ist eine wunderschöne und sehr geformte sprachliche Probe dieser Aussage. Er ist 2022 bei Hanser Berlin erschienen und stand auf der Longlist zum Deutschen Buchpreis 2022. Für Mascha Jacobs gehörte der Roman ganz eindeutig zu den Favoriten, aber leider schaffte er es nicht auf die Shortlist.

     

    Ein hartes und zartes und zartes und hartes Buch, das Schwere erscheint leicht und umgekehrt und das Weggelassene ist erstaunlich präzise und sichtbar. Yael Inokai ist außerdem Teil des Kollektivs, PS. Politisch Schreiben, einer Gruppe von tollen Menschen, die gemeinsam ein queeres Magazin herausgeben, eine Website und Lesungen und Gespräche organisieren. Mitgebracht hat Yael Inokai die Lyrische Novelle von Annemarie Schwarzenbach (Lenos Verlag) Pocket, (1933) 1999 und Housekeeping von Marilynne Robinson, (1980) bei Farrar, Straus and Giroux und 1984 Kiepenheuer&Witsch. Wir sprechen neben Büchern von Marieluise Fleißer, Monika und Bell Hooks, Leonard Cohen, über Filme, queere Literatur, das Flirren, die kurzen Formen, Liebe, Zuhause, Sexualität im Roman, Jugend und Schwärmereien.

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    © Ladina Bischof
  • #6 Lilian Peter über Essays, Erinnerung und Schreibweisen des anderen

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    Lilian Peter, dieses Mal Gesprächspartnerin von Mascha Jacobs, studierte einige Semester Klavier, danach Philosophie und Musikwissenschaften u.a. in Wien und Heidelberg. In ihrem poetischen Essay Mutter geht aus, 2022 bei Diaphanes erschienen, ist ihr Studium und die immer noch bestehenden Schwierigkeiten in derart männerdominierten Fächern immer wieder mal Thema. Sie kulminieren in einem Brief an Hegel, in dem Lilian Peter einen Heiratsantrag seinerseits ablehnt. An ihr geisteswissenschaftliches Studium hing Peter dann eine Ausbildung zum Literarischen Schreiben am Deutschen Literaturinstitut Leipzig an. 

     

    2017 erhielt sie den Edit Essaypreis. Es folgten zahlreiche Arbeits- und Aufenthaltsstipendien, u.a. in Kyoto. Im März 2022 erschien ihr Debütband Mutter geht aus mit poetischen Essays . Vor vier Wochen ist ihr erstes Kind geboren und Lilian Peter war das erste Mal für diesen Podcast aus.

     

    Mascha Jacobs und Lilian Peter reden über ihre Texte, aber auch allgemeiner über Essays, Lektüren anderer Bücher die in die Texte reinsprechen, Mischformen, patriarchale Erzählhaltungen, Romane, Geschichten, subtilen Humor und Kalauer. Wir umkreisen Begriffe und Themengebiete wie Buße, Feminismus, Herkünfte, „andere“ Schreibweisen, das Unbewusste und nicht-immer-schon-vorher-Gewusste, Sprachlosigkeit, Erinnerung, Vertrauen, Sprech- und Schreibfähigkeiten, Geburten, Altphilologie und chinesische Weisheiten. Sie rasen in diesem Gespräch fast atemlos durch sehr unterschiedliche Themen und kommen immer wieder auf Lieblingsthemen und Schriftstellerinnen, die sie zum Schreiben ermutigen, zurück.

     

    Auch die mitgebrachten Lieblingstexte von Lilian Peter haben es Mascha Jacobs angetan. Sie hat sich seitdem ALLES (was sie noch nicht kannte) von diesen Autorinnen bestellt. Aber im Gespräch geht es ausführlich um einzelne Bücher: Yoko Tawadas Wo Europa anfängt mit Gedichten und Prosa, 1991 im Konkursbuch Verlag erschienen. Und Anthropology of Water von Anne Carson aus Plainwater. Essays and Poetry, 1995 im Original erschienen. Ins Deutsche von Marie Luise Knott als „Anthropologie des Wassers“ übersetzt und von Matthes & Seitz 2014 veröffentlicht. 

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    Foto: Achim Lengerer
  • #5 Behzad Karim Khani über Würde, Rap und persische Poesie

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    Dieses Mal ist Behzad Karim Khani bei DEAR READER zu Gast. Er wurde 1977 in Teheran geboren, seine Familie ging 1986 nach Deutschland. Er studierte Medienwissenschaften in Bochum und lebt heute in Berlin-Kreuzberg, wo er schreibt und die Lugosi-Bar betreibt. Mit seinem Debütroman Hund, Wolf, Schakal bei Hanser Berlin erschienen, erzählt er eine »laute Geschichte leise«. Die Geschichte zweier ungleicher Brüder, die nach der Flucht aus dem Iran mit ihrem Vater im »doppelt fremdem« arabisch dominierten Neukölln aufwachsen.

     

    Wir sprechen über sein Buch, das nicht nur von der Straße und Gewalt handelt, davon wie einer der Söhne nach den Kriegserfahrungen »selbst immer mehr zu einem Minenfeld« wird, sondern auch von Freundschaft, Zärtlichkeit und vor allem »Fifty Shades of Würde« erzählt. Unser Gespräch dreht sich auch um Stil, Sprache, die Kraft der persischen Poesie, das Schāhnāme, den Koran, Rap, die Ice-Cube-Bibliothek und Attitude. Doch im Zentrum stehen die großartigen mitgebrachten Lieblingstexte des Autors: Peter Weiss Abschied von den Eltern (Edition Suhrkamp) und Feridun Zaimoglu: Kanak Sprak /// Koppstoff. Die gesammelten Mißtöne vom Rande der Gesellschaft (Kiepenheuer und Witsch). 

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    © Valerie Benner
  • #4 Katja Petrowskaja über Bilder, Kriege und die Freiheit der Sprache

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    Dieses Mal ist die Schriftstellerin Katja Petrowskaja bei DEAR READER zu Gast. Die auf Deutsch schreibende russischsprachige Ukrainerin hat 2014 einen der besten Texte der letzten Jahrzehnte veröffentlicht: Vielleicht Esther, bei Suhrkamp erschienen. Für einen Auszug aus dem Erzählband hatte sie im Jahr davor den Ingeborg-Bachmann-Preis gewonnen. Vielleicht Esther wurde in dreißig Sprachen übersetzt. Das fragmentarische Erzählen beherrscht Katja Petrowskaja so gut, dass hier Komik und die Beschreibung unermesslicher Brutalitäten nebeneinanderstehen können. Die Veröffentlichung fiel in eins mit dem Euromaidan und der Annexion der Krim. Und auch ihr aktuelles Buch Das Foto schaute mich an ist vom Krieg umklammert. Die in der Bibliothek Suhrkamp erschienene Textsammlung ist eine Auswahl ihrer Fotokolumnen aus der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Seit Jahren verliebt sich Katja Petrowskaja alle drei Wochen öffentlich in ein Bild. Es sind ganz unterschiedliche Bilder, bekannte Kunstfotografien von Francesca Woodman, Schnappschüsse, Archivbilder, Plattencover, Pressebilder oder Rayogramme radiokativer Pflanzen. Und so divers wie das Material sind auch die kleinen Geschichten, die Petrowskaja aus diesen Bildern heraus entwickelt.

     

    Was ihre Art zu schreiben und ihre Methoden des Sehens mit ihrer Lesebiografie, ihrem Studium der Literaturwissenschaft in Estland bei Jurij Lotman, einem der Mitbegründer der Moskau-Tartu Schule für Kultursemiotik, zu tun hat und ob Bücher und Kunst auch eine Art Widerstand gegen den Krieg sein können, darüber unterhalten sich Mascha Jacobs und Katja Petrowskaja. Sie sprechen über den aktuellen Krieg in der Ukraine, über den Zweiten Weltkrieg, Gleichzeitigkeiten, Freiheit, Sprache, Berlin, Kyiv, Totalitarismus, Fotografien,Erfahrungen, Frauen in der Mitte des Lebens, Widerstand, Wolken, Alice im Wunderland, Tschernobyl, Gewalt, Haltung, Ohnmacht, Widerstand und über die Liebe. Hinter all dem steht die Frage, wie man mit den Katastrophen dieser Welt leben kann, ohne zu resignieren oder verrückt zu werden.

     

    Katja Petrowskaja hat ein vor Kurzem gelesenes Buch Abhängigkeit von Tove Ditlevsen (Aufbau Verlag/No Kidding Press) und einen weiteren für sie sehr wichtigen Text, das Hohelied Shir ha-schirim aus dem Alten Testament (Deutsche Bibelgesellschaft), übersetzt von Martin Buber, mitgebracht.

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    © Eugene Gn Kosenko
  • #3 Sven Pfizenmaier über Superkräfte und das Sammeln

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    Draußen feiern die Leute heißt der bei Kein und Aber erschienene Debütroman von Sven Pfizenmaier, der dieses Mal bei DEAR READER zu Gast ist. Der 1991 in Celle geborene Schriftsteller verbindet darin magische Elemente mit sozialem Realismus. Und schreibt wahnsinnig lustig und sehr berührend von jugendlichen Außenseitern irgendwo in einem Dorf zwischen Hannover und Braunschweig. Wir sprechen über die verschiedenen Formen der Entfremdung, die sich bei einigen Jugendlichen auch in nicht immer nützlichen Fähigkeiten oder besser Antisuperkräften zeigen. Über Gefühle, Videospiele, das Lügen erfinden, Geschichten schreiben und sammeln. 

     

    Ausgehend von Ursula K. Le Guins Essay The Carrier Bag Theory of Fiction sprechen wir über Narrative, die Konstellationen favorisieren, Dinge aufsammeln, nebeneinanderstellen und nicht linear erzählt werden. Mitgebracht hat Sven Pfizenmaier auch Le Guins feministischen Science-Fiction-Klassiker The Left Hand of Darkness (Heyne)  und den rätselhaften Schauerroman Der Vogelgott von Susanne Röckel, erschienen bei Jung und Jung.

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    © Svenja Trierscheid
  • #2 Berit Glanz über lustvolles Lesen, Buchscham und andere vermeidliche guilty Pleasures

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    Dieses Mal ist Berit Glanz bei DEAR READER zu Gast. Im Gespräch mit Mascha Jacobs erzählt sie, warum sie sich auch in ihrem zweiten, 2022 im Berlin Verlag veröffentlichten Roman Automaton mit Arbeitswelten beschäftigt hat. Dieses Mal ist ihre Protagonistin eine junge alleinerziehende Mutter. Tiff schlägt sich mit schlecht bezahlten Online-Jobs durch. Sie kann aufgrund einer Angststörung ihre Wohnung kaum noch verlassen. Während der Arbeit beobachtet sie online ein Verbrechen. Diese Beobachtung verbindet sie wiederum mit einer ihr bis dahin unbekannten und ebenfalls prekär arbeitenden Frau auf einem anderen Kontinent. Es ist ein toller Roman über Solidarität in der Vereinzelung geworden, der mit Rezeptionserwartungen spielt.

     

    Im Gespräch geht es immer wieder um dieses Spiel mit Konventionen, Genres und Wertungskategorien. Wir sprechen über Arbeitsweisen, das Erzählen nach dem Medienwandel, immersives, lustvolles Lesen und über die Lesevorlieben von Berit Glanz im Allgemeinen. Mitgebracht hat die Autorin zwei Texte von Emily Nussbaum aus dem New Yorker. Difficult Women über Sex and the Cityvon 2013 und Jane the Virgin Is Not a Guilty Pleasure Instead, the show is a joyful manifesto against that very putdown von 2018. Beide Texte beschäftigen sich mit Serien, die von vielen Menschen mit großem Vergnügen geschaut wurden, aber oft zu einem Guilty Pleasure herabgewürdigt wurden. Guilty Pleasure umschreibt eine Freude, die man sich gönnt, für die man sich aber aus einem bestimmten oder unbestimmten Grund irgendwie schuldig fühlt. Das kann zum Beispiel der Verzehr von Cupcakes, die Liebe zu Justin Bieber oder auch das Schauen von Trash-TV sein. Nussbaum schaut sich diese Lust genauer an. Und Berit Glanz und Mascha Jacobs denken anhand dieser brillanten Stücke ebenfalls darüber nach, wie Genre und Gender immer noch zusammenhängen: Welche Mechanismen und gegenderten Bewertungskategorien wirken auf Genreliteratur und Lesevorlieben ein?

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    © Christian Raytsiz
  • #1 Yade Yasemin Önder über Redewendungen, die Konsequenzen haben

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    Die erste Gesprächspartnerin der zweiten Staffel von Dear Reader ist Yade Yasemin Önder. Bislang erregte sie mit Theaterstücken Aufmerksamkeit. Im März 2022 erschien ihr Debütroman Wir wissen, wir könnten, und fallen synchron bei Kiepenheuer und Witsch. Es ist ein wilder, anarchistischer und surrealer Text geworden, der Psychoanalyse und Popkultur verbindet. Es geht in diesem Text aber auch um das Erinnern, ein Loch, die Spicegirls, die Farbe Gelb, Sex, ein Symptom, Gewalt, Alf und nicht zuletzt um Sprache. 

     

    Im Gespräch mit Mascha Jacobs erzählt sie von ihrer Lust, surreale Welten zu erfinden und sprachliche Redewendungen real werden zu lassen.
    Kein Wunder, dass Yade zwei Texte mitgebracht hat, die Sprache über Handlung stellen. Oder zumindest die Geschichte aus der Sprache heraus entwickeln. Wir sprechen über den bei Wallstein erschienenen Roman Für den Herrscher aus Übersee von Teresa Präauer und über den Klassiker der modernen französischen Literatur Stilübungen von Raymond Queneau, in der Übersetzung von Ludwig Harig und Eugen Helmlé bei Suhrkamp erschienen.

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    © Carolin Saage