haunted - An einen Mann, der verschwand, von einer Frau, die verschwinden wird
von Karosh Taha
Text An einen Mann, der verschwand, von einer Frau, die verschwinden wird, gelesen von Karosh Taha.
Jemand spricht, eine Stimme aus der Zeit gebrochen, um zwei Menschen auf eine Leinwand zu projizieren:
Die Verwandlung eines Mannes in den Doppelgänger eines Tyrannen ist nicht anatomisch zu beschreiben, sie ist chronologisch zu beschreiben, wie zum Beispiel: Nachts wird das Rückgrat gebrochen. Vor dem Sonnenaufgang wird der Mund verboten.
Einmal sagen wir die Wahrheit und einmal werden wir lügen. Niemand wird unterscheiden können. Wir verstecken die Lüge in einem Gesicht.
Wir werden behaupten, wir haben einen Mann versteckt, damit eine Frau von ihrer Suche erzählt, als die Sonne verschwiegen wurde. Die Flieger in den Jahren 1980 am Himmel waren keine Steine, die man anbetete. Es war die Nacht, die mitten am Tag anbrach. Und die Frau ging zu den Steinen, die ihr keinen Halt boten. Und der Wind trug nur Sand mit sich wie lebendig begraben. Die Frau vergaß nicht den Schatten ihres Mannes zu zeichnen, auch wenn die Peitsche ihre Haut aufplatzen ließ.
Die Frau sprach.
Wenn ich dich finde, bedecke ich dein Gesicht. Wir werden entdecken, dass wir Unbekannte sind. Immer die anderen, immer sie, untrennbar mit uns verbunden und uns Fremde, mit deinem Gesicht und mit dem meinen, du immer bei mir und immer allein.¹
Welche Augen sahen dich, die dich verwandelten in einen anderen Menschen, die den Anderen in dir sahen, die einen Zweiten in dir sahen, ein Abbild. Hast du in dem Moment diese Ähnlichkeit mit ihrem Tyrannen gehabt, dass sie auf die Knie gingen und jetzt bist du sein Nicht-Ich.
Ein Brandmal geworden verschwindest du so sichtbar, vor aller Augen wirst du zum anderen gemacht. Die Haut nach einem Brand ist kühler als davor. Zeig mir deine Narben unter der Uniform. Die Haut nach einem Brand ist glatter als davor. Zwei Mal bist du geboren wie zweimal abgesprochen. Die Haut nach einem Brand hat keine Struktur. Die Verwandlung eines Mannes in den Doppelgänger eines Tyrannen ist nicht anatomisch zu beschreiben sondern chronologisch, wie zum Beispiel: Nachts wird das Rückgrat gebrochen. Nach dem Sonnenaufgang wird dein Mund verboten.
Es gibt einen großen Unterschied zwischen mir, wenn ich bin und mir, wenn ich schlafe. Man kann aus den Zuckungen des schlafenden Körpers lesen wie aus Eingeweiden eines erlegten Wildtiers, man kann lesen, dass sich diese Worte richten an einen Mann, der verschwand, geschrieben von einer Frau, die verschwinden wird. Zwischen dem Gerippe und deinem Geist liege ich mit dem Rücken. Nachts versucht man uns das Rückenmark herauszureißen. Ich folge dir in die Unterwelt, in den tiefsten Schichten des Bodens.Du musst ohne Stimme zu mir sprechen.
Die Geographie einer Stadt änderte sich, wenn die Frau einmal unter ihr gewandelt war, sie lief durch Straßen und sie wusste unter ihr befand sich die eigentliche Welt und jederzeit konnte sie in sie stürzen, durch Verrat gezerrt, in ihr verschwinden. Die Stadt wurde anders, wenn eine Bombe sie traf oder wenn diese Frau ihren Mann suchte. Die Straßen nahmen ihren Lauf wie Hadithen, deren Absicht unbekannt bleiben wird. Die Straßen drohten mit Stürzen. Die Straßen drohten mit dem Anblick einer Leiche.
Im schönsten Arabisch ist die Hölle beschrieben, in ihrer Nachahmung geraten sie in Verzückung:
Am Himmel gibt es keine Vögel, sie wollen nicht Zeuge werden.
An einem Tag werden die Vögel mit gebrochenen Nacken und steifen Stimmen singen wie sie sich die Drähte mit Leichen teilten.
Sie werden mit den Stimmen der Toten auf ihren Schultern sitzend sprechen, wie lange ihre Strangulation anhielt.
Es gibt keine Vögel am Himmel.
Sie verstecken sich unter den Blättern, es gibt keine Vögel am Himmel.
Sie fliegen in den Norden, es gibt keine Vögel am Himmel.
Du kannst den Himmel haben, aber ich werde durch Stein sehen, in der Dunkelheit einer Höhle verborgen, fühle ich mich wohl. Niemand kann mich sehen, kann nicht sehen, wie ich mir die Finger wetze.
Mein Himmel ist nicht durchsichtig, mein Himmel ist durchzogen mit Drähten und Augen und aufgequollenen Körpern, die hängen an Drähten mit den Händen blau wie in einer Dämmerung.
In diesen Zeiten ziehen wir den Tod in Erwägung, aber erledigt man ihre Arbeit am eigenen Leib? Du bist nur noch ein Widerspruch: Du wirst leben können, wenn du dich aufgibst.
Es gibt zwei Ichs. Es gibt uns immer zweimal, zwei Bewusstseinszustände, zwei Gedächtnisse. In deinen Träumen erinnerst du dich an deine Träume, sie haben ein Gedächtnis. Manchmal sagst du: Ich erkenne mich nicht wieder. Manchmal sage ich: Du bist wie ausgewechselt. In einer Diktatur wählen wir die Spaltung des Verstandes, um einen Teil davon zu erhalten.
Es gebe die Möglichkeit einer Zeit, wenn Saddam sagte: Gott hat dich aus meiner Rippe erschaffen. Dich mir als Bruder geschickt. Auch ein kleiner Bruder kann den großen beschützen.
Wenn ich mich nicht in jeden verwandeln kann, so soll jeder sich in mich verwandeln. So kann ich mich unter den Menschen verstecken. In der Uniform bleibe ich ungesehen. Diese Sätze werden gesprochen mit der Gewissheit sich kreuzender Horizonte.
Den eigenen Doppelgänger zu erschaffen, bedeutet die eigene Paranoia in die Realität zu übersetzen. Ich, das jeder andere auch sagt, spaltet sich, sodass Ich nicht mehr gleich Ich ist.
Ich habe Angst, du erkennst mich in jemand anderes, den sie an meine Stelle hierhin platziert haben für dich.
Du willst dir die Gliedmaßen amputieren, um den Eindringling loszuwerden. Deine Hände zum Beispiel, lass uns von deinen Händen ausgehen, sie gehören nicht mehr dir, sie haben angefangen Todesurteile zu unterschreiben. Du fragst, ob deine Hände eine Seele haben.
Wer wird mir glauben, wenn ich sage: Ich kenne alle Falten deiner Handflächen, denn ich zeichnete die Schatten der Falten als gespaltene Straßen, die Kreuzungen wie Messerschnitte aller Vorfahren.
Die Wiederholung deines Gesichts verheimlicht eine Wirklichkeit. Eine Wirklichkeit versteckt sich in der Wiederholung. Sie sagen: Wenn du doppelt siehst, hilft es vielleicht, wenn wir dir ein Auge nehmen.
Wenn ich dich noch einmal so sehen könnte wie ich dich immer gesehen habe. Als hätte man mir die Augen ausgetauscht, bist du für immer verwandelt. In einer Diktatur wählen wir die Spaltung des Verstandes, um einen Teil davon zu erhalten. Wir müssen zu Schemen werden, wir müssen in der Masse untergehen. Wir haben Angst gesehen zu werden. Wir haben Angst übersehen zu werden.
Du wirst zu einer Verlängerung seiner Gegenwart. Als sein Schatten erinnerst du dich an eine Parallele, eine zweite Zeit.
Ich suche dich.
Dich gibt es nicht nur in deiner Welt, dich gibt es außerhalb von dir, dich gibt es als die brutalste Möglichkeit eines Lebens.
Ich suche dich in den Hundertschaften.
Bis mir die Angst gehackt ist von den Knochen
Bis mir die Sehnsucht nach dir aus den Sehnen gezogen ist.
Ich suche dich in meinen Fingern, die sich über ein leeres Blatt bewegen. Ich zeichne dich so, wie ich dich immer gesehen habe. Am Ende der Zeichnung sehen alle nur den anderen.
Wenn die Frau das Blatt mit seinem Gesicht wendete, sah sie durch die gespenstische Transparenz des Blattes die Zeichnung; es gab sie auf der anderen Seite. Und so gab es ihren Mann, aber auf der anderen Seite. Er war auf den Körper reduziert; auf das Fleisch und das Fleisch sollte brennen. Die schönste Zeichnung, die eine Frau von ihrem Mann erschaffen konnte, war den Tyrannen in Brand zu setzen.Nach einem Feuer ist die Haut kühler als davor.
Die Frau suchte nach Steinen von der Größe einer gebrochenen Hand. Wenn die Zeiten ineinander fielen, schmiss sie mit Steinen, die sie am Rücken trafen. Man möchte wahnsinnig werden, wenn die Schläge sich wiederholten. In ihrem Rock sammelte sie Steine, beige und grau marmoriert, den Boden imitierend, mussten sie rund sein und in der Hand liegen, in der Schwere einer stolpernden Sprache. Wenn sie ihren Mann nicht fand, sollte sie andere Steine finden.
Jemand sagte zu der Frau: Es gibt viele Fälle von Geisteskranken, die eine Sehstörung haben, die behaupten, die ein und selbe Person teilte sich vor ihren Augen in sechs oder sieben identischen Menschen auf.
Es sind nicht sieben identische Menschen, sagte die Frau. Männer wiederholen sich zu Hundertschaften, alle grün uniformiert, schreiten sie die Straße ab, die Straße spaltet sich vor den Augen in vier Richtungen auf.
Eine andere Person sagte zu der Frau: Die Geisteskranken fahren gegen die Leitplanke und sterben, oder sie sitzen in der Heilungsanstalt, weil sie versucht haben die Phantombilder ihres Mannes zu töten. Welche Irre bist du? Oder versteckst du dich hinter einer Geisteskrankheit. Wie es auch sein sollte, Saddam Hussein steht am Ende aller Straßen, er wird dich anlächeln, in allen Himmelsrichtungen findest du ihn.
Weiß man denn nicht: „Eine Sprache, aus der die Hölle spricht, nimmt auch die Gewohnheiten der Hölle in ihrer Syntax an.“² Sie sagten: Jede Vernichtung kommt zu gegebener Zeit.
Die Anatomie eines Doppelgängers darf nicht mit der Chronologie einer Verwandlung verwechselt werden: Eine Säule aus 33 gewirbelten Knochen bildet deinen Rücken, aber man sagt auch: Du sollst dir kein Bild von dir machen. Ein Eindringling ergreift meinen Körper und ich spreche Sätze, von denen ich nichts wusste. Du bist die Hülle; ich bin die Idee, sagt Saddam Hussein zu dir. Wisse: Es gibt keine Rückkehr ins Paradies, so ist jede Verwandlung eine Vorbereitung auf die nächste Verwandlung. Wisse: Jede Diktatur schreibt die Gesetze der Diktatur fort. Nach der Apokalypse kommt lange nicht das Paradies.
Wir können im selben Moment aufstehen, um in entgegengesetzte Richtungen zu laufen, bis wir uns nie wieder finden, selbst, wenn wir uns die Gesichter ablegten.
Weiß man denn nicht: In unseren Körpern wohnen mehr als zwei Personen. In unseren Körpern wohnen die Getöteten, die Lebenden, die lebendig Begrabenen, die Untoten, die Unbegrabenen, die Hinterbliebenen, die Zurückgelassenen, die Wiederkehrer, die Rückkehrer, die Totgeborenen, die Mutierten, die Registrierten, die Vergessenen, die Erbauer eines Turms, die Gespenster, die Schemen, die Gefolterten, die Folterer, in unserem Körper wohnt die Weigerung Gottes uns aufzunehmen.
¹ Abgewandeltes Zitat von Pessoa in Algebra der Geheimnisse.
² Georg Steiner, Das hohle Wunder.