Gegenwartserde
In der Reihe Gegenwartserde dreht sich alles um unterschiedliche Sichtweisen auf das Anthropozän, die wir miteinander ins Gespräch bringen. Der Begriff ›Anthropozän‹ ist ein Versuch, den Einfluss des Menschen auf Klima und Planeten zu beschreiben. Es gibt aber auch viele andere mögliche Begriffe und Perspektiven. Um darüber und andere Fragen zu diskutieren, laden wir zum Beispiel Klimagerechtigkeitsaktivist*innen, Geolog*innen, Philosoph*innen, Performance-Künstler*innen, Expert*innen aus der Wissenschaftskommunikation oder Literaturwissenschaftler*innen ein, unser Sprechen und Denken über Klimawandel und Umwelt zu hinterfragen.
Wir haben über den Zusammenhang von Klimawandel und Kolonialismus gesprochen, über Fachsprachen, Poesie und Wissensvermittlung, über die Wirkmacht von Pflanzen und die ökologische Folgen digitaler Kommunikation. In jeder Ausgabe widmen wir uns einem anderen Thema. Hier im Studio stellen wir die jeweiligen Themen mit Zusatzmaterial vor.
In der vierten Ausgabe der Gegenwartserde geht es um Gärten in Kunst, Literatur und Botanik - vom Garten als Symbol für die Erde zum Garten im Wohnzimmer. Dazu zeigen wir hier Julia Löfflers Ausstellung Exotic Plant Hunters.
Im Dezember starten das Center for Literature (CfL) und das Literarische Colloquium Berlin (LCB) eine digitale Veranstaltungsreihe. Im Zentrum der Zusammenarbeit steht ein sich stetig erweiterndes digitales Atelier, das von Autor*innen gestaltet wird. Die regelmäßigen Atelierrundgänge werden durch den Dialog der Autor*innen mit einem von ihnen eingeladenen Gast geprägt.
Den Auftakt macht Julia Rüegger: Im Atelier von VOOO (siehe unten) erkundet die Schweizer Lyrikerin im Dialog mit anderen Autor*innen und Künstler*innen verschiedene Aspekte des Anthropozäns und Möglichkeiten des Verbundenseins angesichts tiefgreifender Zerstörung. Sie fragt danach, wie sich die von der Geologin Marcia Bjornerud diagnostizierte »Chronophobie« in unserem Zeitempfinden äussert, mit welchen »anthropocene toys« (Dipesh Chakrabarty) wir als Kinder gespielt haben und als Erwachsene den Erdboden umschichten, welches poetische Potenzial in Worten wie »Faunenschnitt« liegt und wie ein Lesezirkel mit Tieren und anderen Krittern aussehen könnte. Dafür werden Sprachnachrichten, Lexikoneinträge und Gedicht(fragment)e hin- und hergeschickt, klangliche Annäherungen an den Vogelschrei eines Dinosauriers versucht und Fadenspiele geknüpft, durch die ab und zu auch ein 3D-Dino-Schlumpf flaniert. Im Gespräch mit der Lyrikerin Daniela Danz gibt Julia Rüegger Einblicke in ihre Arbeit und zeigt die bislang entstandenen Beiträge.
Die Veranstaltungsreihe bezieht sich auf das gleichnamige GegenwartsErde Netzwerk. Das GegenwartsErde Netzwerk ist die Idee einer kollaborativen Fokussierung auf die gegenwärtigen Veränderungen der Erde im Zeichen von Klimawandel, Extraktivismus und Digitalisierung, auf unsere (ungleichen) Verstrickungen in sie. Dabei problematisiert der Begriff der GegenwartsErde dem Lyriker und Theoretiker Daniel Falb (Geospekulationen. Metaphysik für die Erde im Anthropozän, Merve 2019) zufolge, dass die eine Gegenwart der Erde nicht immer schon gegeben ist. Das GegenwartsErde Netzwerk weiß, dass die Gegenwärtigkeit der Gegenwartskünste eine ebenso komplexe Signatur trägt wie der Planet. Es will künstlerischen und aktivistischen Positionen einen Raum geben, die sich mit dieser planetarischen Komplexität befassen.
Atelier GegenwartsErde ist eine Reihe von Burg Hülshoff - Center for Literature (CfL) und dem Literarische Colloquium Berlin (LCB). Die erste Ausgabe wird unterstützt durch ProHelvetia, Schweizer Kulturstiftung.
Julia Löffler lebt und arbeitet als Grafikdesignerin in Hamburg. Neben ihrem Engagement in freien künstlerischen Projekten entwickelt sie visuelle Erscheinungsbilder und gestaltet vorwiegend Bücher und Plakate. 2018 absolvierte sie ihre Ausbildung zur Grafikdesignerin in Freiburg und studiert seitdem Kommunikationsdesign an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg. In ihrer Arbeit Exotic Plant Hunters untersucht sie die koloniale Kontinuität der Faszination für tropische Zimmerpflanzen anhand einer fotografischen Gegenüberstellung aus historischen Archivbildern und gegenwärtigen Fotos von Social Media-Plattformen.
©Lukas Besenfelder
EXOTIC PLANT HUNTERS
Eine Fotografische Recherche zum kolonialen Erbe der Faszination des Westens für Tropenpflanzen
Monstera, Feigenblatt und Pilea sind die stängeligen Stars der sozialen Medien, Besitzer*innen bezeichnen sich als »Plantparents« oder »Plantfluencer*innen«. Die Liebe zu Pflanzen signalisiert Achtsamkeit und einen nachhaltigen Umgang mit Konsum und Umwelt. Das Paradoxe ist, dass der moderne »Urban Jungle« in einer kolonialen Tradition steht, in der Ausbeutung und Verschiffung tropische Pflanzen in die luxuriösen Stadtwohnungen der Bourgeoisie des 19.Jahrhunderts brachten. Exotische Pflanzen wurden damals zum Statussymbol, das Reichtum und Wohlstand zum Ausdruck brachte. Nicht nur gesellschaftlich, sondern auch auf wirtschaftlicher Ebene schreibt sich die koloniale Ausbeutung im Pflanzenhandel fort.
Auf dem Handy oder Tablet unterwegs? Zur besseren Darstellung kannst Du dir die Ausstellung auch hier ansehen.
links: Porträt von Ernst Haeckel in seiner Tropenforscher-Ausrüstung. 1860 – 1900
rechts: »It’s a jungle out there.You know what would look good with this plant? MORE OF THEM! Am I right!?!« @bellabucchiotti. 2020
links: Edwardian Sommerhaus Dekoration. Circa 1910
rechts: »Auf eine Tasse« home story von @friendsoffriends über @timlabenda. 2018
links: Kaiserin Alexandra Feodorowna von Russland, geborene Prinzessin von Hessen-Darmstadt und bei Rhein, und ihre Schwester, Großfürstin Jelisaweta Feodorowna, geborene Prinzessin Elisabeth von Hessen-Darmstadt und bei Rhein. Circa 1888
rechts: Tropische Hochzeitsdekoration von @their_story_by_debbielourens. 2020
links: Adolf v. Liebermann im Tropenanzug. Tana-Baringo-Nil. Karl Peters zu Emin Pascha. Nach Skizzen des Verfassers illustriert. 1892
rechts: »~ MOOD~ AKA me right now trying to catch up on emails« @nicolealyseee. 2018
links: The American Florist - a Weekly Journal for the Trade. 1885
rechts: Tula Plants & Design Shop @tulahouse. 2020
links: »Grandmother was never so chic – Nor did she ever shop for flowers so fresh and attractive as in the Flower Pot, a new feature of Stop & Shop/Bradlees combination stores throughout the large retailing chain.« © Wyner Family Jewish Heritage Center at New England Historic Genealogical Society
rechts: »Never not posing with my plants #plantmom #urbanjungle« @trixedenbreuls. 2020
links: Alexander von Humboldt und Aimé Bonpland in einer Hütte am Orinoco. Holzschnitt von Otto Roth. 1870
rechts: »Casa dos Outros: Semana Jefferson Stevanato.« São Paulo. © Manu Oristanio | www.manuoristanio.com. 2015
links: »The Hallway«. Ölgemälde der viktorianischen Innenarchitektur von Jessica Hayllar. 1882
rechts: Home story über Joris & Nicky von @jordi.huisman für @friendsoffriends ©Jordi Huisman | http://www.jordihuisman.nl. 2013
links: Unbekannte viktorianische Person posiert neben einer Aspidistra-Pflanze. Circa 1896–1920
rechts: »Picked zebra!!!« @amyz_k. 2020
links: John Hook im Fotostudio. Circa 1900
rechts: »Plants also like it a bit chic. Happy Weekend lovely people!« @gruenediele. 2021
links: »For Victorians it was a sign of middle class stature to have an Aspidistra, so they often posed with them in photographs.« Unbekannte Person. Circa 1900
rechts: @seame.linen. 2019
links: Eine Frau gießt ihre vielen Zimmerpflanzen. 1920
rechts: »Plant care = Self care!« ©Jaclyn Campanaro | www.jaclyncampanaro.com. 2021
links: Mrs. McKinley im Wintergarten des Executive Mansion, Washington, D.C. © Boston Public Library. 1900
rechts: »I’m sorry, >too many plants< just isn’t in my vocabulary [...] Comment your plant count!!« Familienporträt von @crazyplantmum. 2021
links: Eine Familie posiert um ihre Aspidistra vor ihrem Haus in Hellidon,Northamptonshire. Circa 1896–1920
rechts: Gruppenbild von @acre_studio. 2018
links: Salon, Government House, Wellington, während der Residenz von Lord und Lady Ranfurly. Es zeigt die architektonischen Details der Wände und der Decke, den Teppich, Sessel mit losen Bezügen und eine Vielzahl von Zimmerpflanzen. ©Alexander Turnbull Library, Wellington, New Zealand. Circa 1897–1903
rechts: »That weekend feeling« @plantegutt. 2021
links: Miss Phyllis und Zena Dare beim Tee. 1907
rechts: »Friends with style« @belleroseofficial. 2018
links: Unbekannte viktorianische Person posiert neben einer Kentai-Pflanze. Circa 1896–1920
rechts: »Nothing comes between me and my plants & Alocasia zebrina is today’s favorite« @craigmilran. 2019
links: Unbekannte viktorianische Person posiert neben einer Kentai Pflanze. Circa 1896–1920
rechts: »#officialplantfever« @torontoplant.girl. 2020
links: Unbekannte Person. Schweden. Circa 1910
rechts: Familienporträt #MonsteraMonday von @kristofcales auf @urbanjunglebloggers. 2021
links: Unbekanntes Paar. Schweden. Circa 1910
rechts: »A wise man (me) once said (just now) you can never have too many avocado plants. Do I need another one? Not really. Do I have one propogating in my kitchen? Absolutely. [...]« @_ginger_roots. 202